Der „archivalische Impuls“ in VALIE EXPORTs künstlerischer Forschung

Sabine Folie

Hal Foster spricht vom „archivalischen Impuls“ als Grundmotiv vieler künstlerischer Ansätze seit den 1960er Jahren. In diesen steht nicht nur der Prozess, der in Notaten, Skizzen, Entwürfen in Archiven abgebildet wird, oft gleichwertig neben dem Werk, auch ist das Archiv der Bilder selbst grundsätzlich Gegenstand künstlerischer Praxis. Künstler_innenarchive als Orte künstlerischer Forschung treten zunehmend in den Fokus, sei es als Quelle zur Erforschung von Werkkomplexen oder als künstlerische Methode. Wie wäre also die Grenzlinie zwischen einem Archiv als Dokumentensammlung und einem Archiv, das sich über die Ästhetik des Archivs – des eigenen oder fremder Archive – konstituiert, zu ziehen? Und welche Definition trifft auf die Anlage des Archivs von VALIE EXPORT zu?

Neben diesem Befund geht der Vortrag der Frage nach, wie sich ein Archiv allgemein und das Archiv VALIE EXPORTs im Besonderen in einer Ausstellung darstellen lässt. Dabei sollen die Dispositive erörtert werden, die in dieser Ausstellung wirksam werden: Der grundsätzlichen Undarstellbarkeit des Archivs wird entgegnet, indem einerseits beispielhaft auf das „Original“ zurückgegriffen wird, das in Autographen, Skizzen, Notaten etc. sichtbar wird. Andererseits wird der „Fetisch“ des originalen Objekts/Dokuments durch den Einsatz schematisierter und diagrammatischer Bildformen zur Veranschaulichung archivalischer Inhalte in einen übergreifenden Zusammenhang gestellt. Paradoxerweise erhöhen gerade diese Figurationen die Evidenz des im Archiv latent Verborgenen. Wird durch das Diagramm grundsätzlich Dreidimensionales und zeitliches Nacheinander auf eine flächige Ebene der Simultaneität gebracht, macht die Ausstellung gleichzeitig in der räumlichen Anlage die abstrakte, subliminal wirkende Ordnung, die dem Archiv zugrunde liegt, körperlich erfahrbar: z.B. über die Organisation des Raumes als Unterscheidung eines kognitiven, analytischen „Territoriums“ des Denkens, das sich in Lesen, Schreiben, Konzipieren äußert, und eines Territoriums emotiv/sensorischer Ebenen künstlerischer Praxis und konkreter Produktion eines Werks. Beide Aspekte spiegeln letztlich auch die Funktionen des Gehirns wider, die als gedachtes Raster über die Ausstellung gelegt werden.