Das Archiv der Avantgarden des 20. Jahrhunderts

Egidio Marzona

Neben einer umfangreichen Sammlung mit Schwerpunkten auf der Konzeptkunst, Minimal Art, Arte Povera und Land Art baute Egidio Marzona im Lauf seiner Tätigkeit als Galerist, Verleger und Sammler seit den späten 1960er Jahren das Archiv der Avantgarden des 20. Jahrhunderts auf. Dieses als einzigartig beschriebene Archiv umfasst Publikationen, wie Kataloge, Künstlerbücher und Kunstzeitschriften, Dokumente, wie Briefe, Manifeste und Fotografien, auch Ephemera, wie Plakate und Einladungskarten zu Ausstellungen, aber ebenso Collagen, Zeichnungen, Skizzen, Pläne und Werke namhafter Künstler und Künstlerinnen sowie Designgegenstände und Möbel. Repräsentiert finden sich in dem mehr als 1,5 Millionen Objekte zählenden Konvolut, in dem Materialien zu sämtlichen Kunstsparten enthalten sind, die bedeutenden künstlerischen Strömungen des vergangenen Jahrhunderts, angefangen bei Futurismus und Expressionismus bis hin zur Postmoderne und den Jungen Wilden der frühen 1980er Jahre. Der Bestand wurde vergangenes Jahr als Schenkung an die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden übereignet und soll dort in einem Forschungszentrum in seiner Gesamtheit bewahrt und der Wissenschaft und auch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden: Das Archiv, das neue Einblicke in künstlerisches und gestalterisches Denken, Entwicklungen und Zusammenhänge ermöglicht, soll als Laboratorium dienen.

Egidio Marzona wird in einem Gespräch Auskunft über die Genese, Struktur und die Besonderheiten – kurz: das mögliche Wilde – des Archivs der Avantgarden des 20. Jahrhunderts geben. Dabei sollen vor allem auch Fragen nach dem Status der in diesem Archiv enthaltenen Materialien und dem Status des Archivs im Ganzen angesprochen werden: Was ist Dokument, was ist Kunstwerk? Oder spiegelt das Archiv in seiner konkreten Gestalt eine Ununterscheidbarkeit, die in den künstlerischen Prozessen, die sich darin dokumentiert finden, angelegt ist? Und wenn dem so ist, wo wäre in der eigenen Sammlungspraxis die Trennlinie zwischen Kunstsammlung und Archiv zu verorten? Nicht zuletzt jedoch ist auch darüber zu sprechen, was sich mit der Idee des Archivs als Laboratorium verbindet und wie diese sich verwirklichen lässt.